Hast Du gewusst?
Karate-do bedeutet “Weg der leeren Hand” und wird heute weltweit als japanische Kampfkunst verstanden. Japan ist jedoch nur der letzte Teil der langen Geschichte einer Kampfkunst, die in Indien und Vorderasien vor sehr langer Zeit ihre Ursprünge hat. Vielmehr stammt der Großteil des Wissens, der Techniken und der Philosophie, die hinter dieser Kampfkunst stehen, aus China.
Der Anfang einer großen Reise
Ein buddhistischer, aus Indien stammender Wanderpriester namens Bodhidharma kam auf seinen Reisen (im 6. Jahrhundert n.Chr.) nach China. Bodhidharma war nicht nur Priester, sondern auch ein guter Kämpfer, eine zu dieser Zeit, wegen häufiger Raubüberfälle und Gefahren durch wilde Tiere, nicht seltene Kombination. Es wurde darin auch kein Widerspruch gesehen, gleichzeitig ein fähiger Kämpfer und ein Mann des Friedens und der Liebe zu sein. In China lehrte er seinen (Zen-) Buddhismus und seine Kampfkünste in einem Kloster, das auf Chinesisch Shao-lin, auf Japanisch Shorin genannt wird. Die Künste, die er lehrte, haben ihre historischen Wurzeln ca. 3000. Jahre v. Chr. Es gibt Quellen, die behaupten sie stammen aus Vorderasien (Persien). Bodhidharma bereicherte sie um Meditationsübungen aus dem Yoga und dem Zen-Buddhismus.
Bodhidharmas Schüler verbreiteten diese Künste zuerst innerhalb Chinas, wo sich viele andere Stile und Schulen entwickelten. Diese Stile werden in einem Sammelbegriff als Kung Fu bezeichnet, einer Kampfkunst deren Kämpfern mysteriöse und zum Teil sogar übernatürliche Kräfte zugeschrieben werden. (Diese Mystifikation stammt jedoch vornehmlich von westlichen Reisenden, die sich nicht oder zu wenig mit den Hintergründen der Ausübung einer Kampfkunst beschäftigten, bzw. in unserer heutigen Zeit häufig von falschen Bildern, die durch die Filmindustrie gegeben werden.)
Auch nach Okinawa, einer Insel südlich von Japan und unweit der chinesischen Küste, die regen kulturellen Austausch mit China pflegte, kamen 36 vornehme, vom chinesischen Hof entsendete Familien. Unter ihnen waren mehrere Meister der Kampfkünste. Umgekehrt bereisten auch viele Okinawesen China und kamen so mit verschiedenen Meistern in Kontakt und wurden in deren Kunst unterwiesen. Es kam so zu einer Durchmischung lokaler und chinesischer Kampfkünste.
Der “Aufstieg” der waffenlosen Kampfkünste
1429 wurde auf Okinawa der Besitz von Waffen durch einen Erlass des damaligen Königs (Sho Hashi) verboten worden. Seit dieser Zeit begannen die waffenlosen Kampfkünste an Bedeutung zu gewinnen, da man sich doch auch gegen Räuber und die in der wechselreichen Geschichte verschiedenen Besatzer zur Wehr setzen musste. Der Unterricht dieser Künste, sowie die Verwendung von bäuerlichen Geräten als Waffen (Kobudo) wurden geheim gelehrt, häufig in Klöstern und man erzielte beachtliche Erfolge im Kampf gegen bewaffnete Gegner. Diese Kampfkunst wurde nach und nach “Tode” bezeichnet. TO war die Bezeichnung für die chinesische Tang-Dynastie (618 – 906) gewesen und wurde in der Folge als Synonym für China verwendet. DE bedeutet “Technik”, Tode ist also “die Technik, welche aus China kommt”.
Die drei Ursprungsorte der großen Richtungen im Karate-do sind: Naha (“naha-te“), Shuri (“shuri-te“) und Tomari (“tomari-te“). Die in diesen Städten sesshaft gewordenen Familien, Experten und deren Nachfahren zeichneten für das an Tendenzen, Stilen und Richtungen reiche Spektrum der Kampfkünste unter dem Überbegriff tode verantwortlich. Die Bezeichnungen naha-te, tomari-te und shuri-te wurden erst im Nachhinein eingeführt.
Karate: Die Abgrenzung von anderen japanischen Kampfkünsten
Erst 1904 wurde Tode offiziel in Schulen und Universitäten Okinawas gelehrt. Nach Japan kam diese Kampfkunst erst 1922, wo sie während eines großen Sportfestes unter riesigem Beifall von Gichin Funakoshi, dem Begründer des modernen, heute weltweit verbreiteten Karate, vorgestellt wurde. Er war es auch, der die chinesischen Ideogramme für “Tode” japanisch interpretierte und so das Wort Karate ( leere Hand ) begründete. In Japan waren bis dahin nur die Kampfkünste der Samurai so z. B. Iaido ( der Weg des Schwertes ) und Jujitsu ( sanfte Technik ), sowie der daraus hervorgegangene “Volkssport” Judo ( der sanfte Weg ) bekannt. Da Karate nicht nur als Kampfkunst, sondern auch ganz besonders als Geistesschule mit religiösen Elementen verstanden wurde, wurde der Name auf Karate-do ( DO = der geistige Weg ) erweitert – es hat sich von einer bujitsu ( = Kriegskunst ) zu einer budo weiterentwickelt.
Die Entstehung der unterschiedlichen Schulen des Karate-do
Gichin Funakoshi, ein Repräsentant des shuri-te nannte seine Schule shotokan. Unter dem Pseudonym shoto hatte er in Japan Gedichte publiziert, kan bedeutet Haus. Er war eng befreundet mit zwei weiteren Karatemeistern, nämlich Kenwa Mabuni und Chojun Miyagi. Mabuni nannte seinen Karatestil shito-ryu (“Schule nach Higaonna und Itosu” – seinen beiden Lehrern), Miyagi seinen Stil goju-ryu (go bedeutet “hart”, und ju “weich” – also “Hart-und-weich-Schule”). Ein Schüler Gichin Funakoshis, Hironori Otsuka, der selbst bereits Großmeister des jujitsu war, gründete nach Jahren des Trainings bei Funakoshi seine eigene Karate-Schule, wado-ryu (wa bedeutet “Frieden”, do “der Weg” und ryu “Schule”).
Karate-do heute
Heute gibt es sowohl in Japan als auch in Okinawa viele Stile des Karate-do, jeder mit gewissen Vorzügen und Eigenheiten. In Japan selbst hat Karate nicht die Anerkennung wie andere Budo, die aus den Kampfkünsten der Samurai entstanden, gefunden. Es wird häufig als “von Bauern stammend” abgelehnt.
Die heute weltweit am häufigsten betriebenen Stile sind shotokan-ryu, shito-ryu, wado-ryu, kyokushin und goju-ryu. In Japan bzw. Okinawa existieren jedoch noch einige, deren Name zum Teil außerhalb der Landesgrenzen jedoch kaum bekannt sind (z.B.: pangai-noon, gembukai, ryuei-ryu,…). Einige der bekannteren sind noch die verschiedenen shôrin-Stile und das shorinji-kempo.
Seit 1947 in Europa
Nach Europa kam das Karate-do mit Henry Plée 1947. Henry Plée (1923 – 2014) war 10. Dan und Ehrenpräsident der FFKAMA (=Féderation Française de Karaté et Arts Martiaux Affinitaires) gründete in der Rue de la Montagne Sainte Geneviève im 5. Arrondissement in Paris, das heute noch existierende erste Karate-dojo in Europa. Der offizielle französische Karateverband heißt heute FFK (=Féderation Française de Karaté).
Nach Österreich kam Karate 1965 durch Bernd Zimmermann und Peter Land, die beiden betrieben Shotokan. Der offizielle Karateverband in Österreich ist der „Österreichische Karatebund“ (ÖKB), bei dem wir (ISKU) auch seit 1996 Mitglied sind. Der ÖKB ist Mitglied in der „European Karate Federation“ und in der World Karate Federation, dem Weltverband, der auch vom Internationalen Olympischen Komitee anerkannt ist.
Der erste Karate Verein in Österreich mit Shito-ryu Stilrichtung
Shito-ryu Karate wurde in Österreich 1994 durch Thomas Hausner eingeführt, er hat es in Frankreich und in Japan kennen gelernt.
Am 1. Juli 2023 haben wir unser neues, traditionell japanisches Dojo in Wien 1190 feierlich eröffnet. Möchtest Du dir selber ein Bild davon machen? Komm’ gerne vorbei!
Literatur:
PORTOCARRERO, Pierre; (1986) De la Chine à Okinawa. TODE, Les origines du Karate-do Verlag Sedirep, Paris
HABERSETZER, Roland; (1986) Karaté de la Tradition. Maîtres et ecoles de l’okinawa-te. Editions Amphora, Paris
CZERWENKA-WENKSTETTEN Heribert, (1993) Kanon des Nippon Jujitsu, Band 1. Tyrolia Verlag, Innsbruck-Wien
BISHOP, Mark (1989) Okinawan Karate; Teachers, Styles and Secret Techniques. A & C Black, London.
TAKAYASU, Takemi (1992) Karate-do. Programme de la Demonstration de Karate-do d’Okinawa pour la Paix dans le monde à l’UNESCO, Paris-UNESCO
MIYAGI, Tokumasa (1993) Les Arts Martiaux (Budo) nés à Okinawa. im Programm zur Demonstration von Karate-do und Kobudo von Okinawa durch das “Comité éxécutif de l’equipe des échanges internationaux du karaté / kobudo d’Okinawa”, Paris.